Im Hochsommer blühen Weinreben, Winterlinde und Mais. In den Gärten reifen die Roten Ribisel und spätreifende Süßkirschen heran.
Der Frühsommer wird mit dem Blühbeginn des Schwarzen Holunders eingeleutet, jetzt kann der Hollersirup angesetzt werden. Die Robinien und Hundsrosen blühen und für viele Allergiker beginnt in der Zeit der Heuernte auch die Heuschnupfen-Saison.
Wenn die Apfelbäume blühen und die Stiel-Eiche ihre Blätter entfaltet, dann ist der Vollfrühling da. An den Fichten werden die sattgrünen Maitriebe sichtbar, der Flieder lockt mit seine duftenden Blüten Insekten an und später blühen auch Rosskastanie und Wiesen-Fuchsschwanz.
Im Erstfrühling blühen in den Vorgärten die Forsythien und in den Hecken und an den Wäldern die Schlehen. Im Obstgarten treibt der Apfel aus und später blühen Johannisbeeren, Kirsche und Birne. Die Birke entfaltet ihre Blätter und kurz darauf fangen ihre männlichen Blüten, die Kätzchen, zu stäuben an.
Der Wein als eine jahrtausende alte Kulturpflanze hat auch in der Phänologie ein besondere Bedeutung. Historische Weinlesetermine im Raum Wien/Klosterneuburg gehen bis ins 14. Jahrhundert und auf sogenannte paraphänologischen Daten zurück. Das sind Aufzeichungen wie Erntezeitpunkte oder Kostenberechnungen der Winzer die damals gar nicht dafür gedacht waren, heute aber für phänologische Auswertungen gut genutzt werden können. Auch wenn anhand solcher fachfremden Aufzeichnungen neue Möglichkeiten gegeben wurden, ist uns heute natürlich die genaue Beobachtung der aktuellen Eintrittsdaten der 9 phänologischen Phasen wichtig.
Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war das Aufschreiben der Abfolge unserer Naturerscheinungen im Jahreslauf wie Blattaustrieb, Blüte, Fruchtreife, Rückkehr der Schwalben oder von landwirtschaftlichen Nutzungszeitpunkten weit verbreitet. Im Moment erfährt das Begleiten und Aufschreiben der Naturentwicklung durch die spürbare Klimaerwärmung der letzten Jahre zunehmend eine Renaissance und wird auch in der Natur- und Klimaforschung immer wichtiger. Die sogenannte Phänologie untersucht dabei Zusammenhänge zwischen dem saisonalen Zyklus von Pflanzen und Tieren und der Witterung beziehungsweise dem Klima. Pflanzen wirken dabei als sehr empfindliche Messinstrumente der bodennahen Atmosphäre und reagieren mit zunehmend früherer Blüte oder Fruchtreife unmittelbar auf die „verrückte“ Temperaturentwicklung der letzten Jahre.
Im Rahmen des Projektes erheben sogenannte Citizen Scientists wissenschaftlich fundierte phänologische Daten. Über die Naturkalender App werden die Daten direkt in das phänologische Beobachtungsnetzwerk der ZAMG sowie in die paneuropäische phänologische Datenbank (PEP725) eingespeist und stehen so auch anderen Forschungs- und Bildungsinitiativen zur Verfügung. Beim Vergleich mit Witterungsdaten können Zusammenhänge zwischen Temperaturverlauf und Naturentwicklung der Wildgehölze und landwirtschaftlichen Kulturarten erforscht und so Auswirkungen der Klimaänderung analysiert werden.
Als 1851 in Wien die "Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus" gegründet wurde, wurde von Karl Frisch auch das erste österreichweite phänologische Beobachtungsnetz angelegt. In den Jahrbüchern der Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus wurden die erhobenen Daten jährlich publiziert. Das Netzwerk wurde 1877 aufgelöst. Danach wurden immer wieder phänologische Beobachtungen durchgeführt, die aber nach kurzer Zeit wieder einschliefen. Erst 1928 wurde auf Anregung von Friedrich Rosenkranz der phänologische Beobachtungsdienst in allen Ländern Österreichs durch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien wieder ins Leben gerufen. Zehn Jahre später umfasste das Beobachtungsnetz 150 Stationen, bevor es im Zuge der Vorgänge des Zweiten Weltkrieges 1938 dem Reichsamt für Wetterdienst in Berlin unterstellt wurde. Die Beobachtungen wurden von da an nach Berlin geleitet. Der Großteil dieser Beobachtungsbögen ist im Kriegsgeschehen verloren gegangen oder verbrannt. Die Daten wurden ab 1946 wieder nach Wien gemeldet und konnten mittlerweile auch digitalisiert werden.
Das Naturjahr beginnt mit der ersten Blüte von Haselnuss, Schneeglöckchen und Salweide. In den Alpen zeigt der Bergahorn mit dem Austrieb, dass der Vorfrühling da ist.
Das im Herbst 2014 gestartete Sparkling Science-Projekt „NaturVerrückt“ untersucht die Auswirkungen von Wetter und Klima auf heimische Wildgehölze und landwirtschaftliche Kulturpflanzen.
Pflanzen wirken als sehr empfindliche Messinstrumente der bodennahen Atmosphäre und reagieren zum Beispiel mit früheren Blüte- oder Fruchtzeitpunkten unmittelbar auf die „verrückte“ Temperaturentwicklung der letzten Jahre. Mit systematischen phänologischen Beobachtungen des Zeitpunktes von Austrieb, Blüte oder Fruchtreife können die Konsequenzen des globalen Temperaturanstiegs auch von Laien gut erkannt werden.
Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) führt das Projekt „NaturVerrückt“ in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsplanungsbüro LACON, der Universität für Bodenkultur (BOKU) und dem Deutschen Wetterdienst (DWD) sowie mit Schülerinnen und Schülern von fünf landwirtschaftlichen Fachschulen aus Niederösterreich (Edelhof, Gießhübel, Hohenlehen, Mistelbach, Warth) durch.
Im Rahmen des Projektes erheben die Schülerinnen und Schüler wissenschaftlich fundierte phänologische Daten an eigens gepflanzten Hecken und auf ihren landwirtschaftlichen Versuchsflächen. Über eine eigens entwickelte Phäno-App werden die Daten direkt in das phänologische Beobachtungsnetzwerk der ZAMG sowie in die europäische phänologische Datenbank eingespeist und stehen so auch anderen Forschungs- und Bildungsinitiativen zur Verfügung. Mithilfe von am Schulgelände erhobenen Witterungsdaten werden Zusammenhänge zwischen Temperaturverlauf und Naturentwicklung der Wildgehölze und landwirtschaftlichen Kulturarten erforscht und so Auswirkungen der Klimaänderung analysiert.
Das Projekt lief bis Oktober 2016. Naturkalender ist die Weiterentwicklung von NaturVerrückt und setzt die Forschungsarbeit inhaltlich fort.
Sparkling Science ist ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (ehemaliges BMWF), das seit 2007 einen unkonventionellen und in Europa einzigartigen Weg der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung beschreitet. In mittlerweile mehr als 200 geförderten Projekten arbeiteten und arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Seite an Seite mit Jugendlichen an aktuellen Forschungsfragen. Die hier angewandte Forschungsmethodik ist auch bekannt unter dem Begriff „Citizen Science“.